Teilprojekt 4:
Tiefe Geothermie im innerstädtischen Bereich
Die Stadtwerke München planen in ihrem Konzept zur Energiewende bis zum Jahr 2025, neben dem Projekt Schäftlarnstraße, drei weitere Geothermieanlagen zur Wärmegewinnung im Münchener Stadtgebiet. Dieses äußerst ambitionierte Vorhaben, das Signalwirkung für die gesamte Geothermiebranche hat und haben wird, bedarf einer großen Zahl von Innovationen nicht nur in der Erschließung und dem Betrieb dieser Anlagen, sondern auch im Verständnis, der Überwachung und der Prognose der möglichen Schütterwirkungen im Stadtgebiet beim Auftreten von Erdbeben. Die Ziele des Teilprojekts 4 sollen dabei helfen, einen möglichst erschütterungsfreien Betrieb der geothermalen Kraftwerke im unmittelbaren Stadtgebiet zu ermöglichen und die Unsicherheiten bei der Beurteilung der Schütterwirkung zu reduzieren.
Abbildung 1: Stationsaufbau für Noise-Messung mit Rotationssensor (links) und Seismometer (rechts)
Quelle: BGR
Neben der oberflächigen, räumlichen Verteilung spielt für die Einschätzung der Schütterwirkung eines seismischen Ereignisses der lokale flache Untergrund (<100 m) eine wichtige Rolle. Im Zuge dieses Teilprojekts ermitteln die Projektpartner der LMU und DMT die oberflächennahe Geschwindigkeitsstruktur im Stadtgebiet München durch Mikrozonierung und erstellen eine großräumige Karte der oberen Gesteinshorizonte durch den Verschnitt mit bekannten Geschwindigkeits- und Strukturinformationen Diese Informationen wurden während einer von der DMT durchgeführten 3D Seismik in den Jahren 2015/2016 akquiriert. Durch das Verfahren sollen lokale seismische Verstärkungsfaktoren ermittelt werden. Des Weiteren sollen neben den klassischen Verfahren der Mikrozonierung auch neue Methoden eingesetzt werden. Dabei kann durch den Einsatz neuartiger Sensorik (Abbildung 1) auf aufwendige Array-Installationen (Abbildung 2) verzichtet und somit deutlich schneller und dichter im Stadtgebiet gemessen werden.
Im Rahmen des Projektes können auch erstmals in der bayerischen Molasse neue Kriterien zur Einschätzung des Gefährdungspotenzials neuer Standorte im sogenannten GRID-Schema überprüft und die daraus resultierenden Implikationen zu betriebsbegleitenden Steuerungsmechanismen untersucht werden. Hierbei ist in erster Linie die Einrichtung eines Reaktionsschemas im Falle von auftretender Mikroseismizität von Bedeutung.
Abbildung 2: Seismische Arrayanlage DMT
Quelle: DMT
Eine weitere Zielsetzung ist die Erstellung von Bodenschwinggeschwindigkeitskarten, welche auf synthetisch berechneten Szenarien basieren und die Ergebnisse der Mikrozonierung berücksichtigen. Hiermit sollen bereits im Vorfeld mögliche Schütterwirkungen im Falle von seismischen Ereignissen abgeschätzt werden, um zur Betriebssicherheit der geothermalen Anlagen beizutragen. Die Ergebnisse dieser Simulationen werden zudem als Eingangsparameter für die seismische Netzoptimierung verwendet.
Um auftretende Mikroseismizität bestmöglich erfassen zu können, ist eine Optimierung der innerstädtischen seismischen Netze bezüglich Lokalisierungsgenauigkeit, Unruhebedingungen und Ermittlung des Einwirkungsbereiches notwendig. Am Beispiel von München soll evaluiert werden, inwieweit optimierte seismische Oberflächennetze aus mehreren Stationen tiefe und damit aufwendigere Bohrlochstationen ersetzen können. In diesem Zuge soll eine tiefe Bohrlochstation in der Nähe der Re-Injektionsstrecke installiert werden. Die Netzoptimierung soll in Zukunft den Betreibern von Geothermieanlagen in urbanen Gebieten als Grundlage für die seismische Netzkonfiguration dienen.