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Verbundvorhaben: Maßnahmen der nachhaltigen Gefahrenabwehr für Altlasten in Gebieten mit bergbaubedingten Destabilisierungsvorgängen am Beispiel der Stadt Staßfurt. Zusammenfassender Bericht

Land / Region: Deutschland

Projektanfang: 01.01.2000

Projektende: 31.12.2002

Projektstand: 30.08.2002

SodawerkSodawerk

Risiken für die nachhaltige sozioökologische Entwicklung der Stadt Staßfurt ergeben sich aus Hebungen und Senkungen durch halokinetische Vorgänge sowie durch Subrosionserscheinungen im geologisch aktiven Gebiet des Staßfurt-Egelner Sattels, durch Veränderungen im Gefolge des Kali-, Steinsalz- und Braunkohlenbergbaus mit dramatischen Bergschadensfällen, fortdauernden Absenkungserscheinungen und Tagesbrüchen, aus der Verbindung des Gipshutes über den Salzvorkommen mit der Bode sowie durch die Wasserhaltung zur Vermeidung von Vernässungen im Stadtgebiet seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Kernbereich des Bergschadensgebietes Staßfurter Stadtgebiet befinden sich zahlreiche Halden und Deponien, die mit Reststoffen der Kali- und Chlorchemie, von Kraftwerken auf der Basis fossiler Energieträger, metallurgischer und elektronischer Produktionsstätten sowie der chemischen Kampfmittel- und Rüstungsproduktion vor und während des 2. Weltkrieges beschickt wurden.

Ziel des Vorhabens war die interdisziplinäre Zusammenfassung, Analyse und Bewertung vorliegender Einzelergebnisse, die aufgabenbezogene Evaluierung von verfügbaren Methoden, Forschungsansätzen und Lösungen, die Durchführung ergänzender Untersuchungen und methodischer Tests sowie die Feststellung des weiteren Forschungs- und Handlungsbedarfs.

Die in den bergbaubeeinflußten Räumen am Staßfurter Sattel langandauernden und noch heute ablaufenden Bergschadensprozesse müssen neben dem Konvergenzgeschehen und den Lösungsumwandlungsvorgängen zu einem wesentlichen Teil auch der Subrosion am Salinargestein zugerechnet werden. Voraussetzung für die Initiierung von Subrosionsvorgängen an Salinargestein sind Stofftransport- und Strömungsprozesse, wobei lösefähige Fluide an das Salzgestein herangeführt und höher konzentrierte abgeführt werden müssen. Die Auflösung des Salzgesteins hängt von der Intensität der Stofftransportprozesse an der Oberfläche des Salzes, der Konzentration des Lösefluides, der Temperatur und der Löslichkeit der anstehenden Salze ab. So können Lösungen, die sich gegen Kainit oder Steinsalz vollkommen inert verhalten, das MgCl2-haltige Carnallititgestein vollständig auflösen. Die bisher gewonnenen Erkenntnisse bezüglich der strukturgeologischen, hydrochemischen und hydrodynamischen Verhältnisse weisen daraufhin, daß das unterirdische System ein offenes System darstellt und daher durch zirkulierende Wässer rezente Subrosions- und Auslaugungsprozesse zu erwarten sind.

Schiefer Turm der ehemaligen JohanniskircheSchiefer Turm der ehemaligen Johanniskirche

Für das Bergschadensgeschehen ist im überwiegenden Umfang das Konvergieren der primär bergmännisch angelegten und sekundär durch Verbruch und subrosive Einflüsse erweiterten Hohlraumstrukturen verantwortlich zu machen. An der SW-Flanke ist die Subrosion nicht nur an die ehemaligen Grubenbaue im K2 gebunden, sondern findet offenbar auch im beträchtlichen Maße im Bereich des einstigen Markscheidepfeilers zwischen den preußischen und anhaltischen Gruben statt (Übertagesituation: Bereich Bahnübergang, Bernburger Straße). Dieser Tatbestand ergibt sich einerseits aus der an der Tagesoberfläche zu beobachtenden Senkungsmulde und wird andererseits durch die mit der Bohrung Ig 7 festgestellten porösen bis wabenartigen Gesteinsstrukturen bestätigt. Für den durch die Bergbautätigkeit im Bereich des Staßfurt-Egelner Sattels geschaffenen, durch subrosive Einflüsse partiell erweiterten aber auch durch Konvergenz und Tagesbrüche reduzierten, lösungserfüllten tiefen Grundwasserleiter kann ein Volumen von ca. 108 angegeben werden. Nach Beobachtungen des Senkungsgeschehens ist davon auszugehen, daß die in zurückliegender Zeit initiierten Vorgänge weiterhin wirksam sind. Die Senkungsdynamik hat unmittelbare Auswirkungen auf die Bausubstanz, erdverlegte Leitungssysteme, Verkehrswege und Oberflächengewässer. Durch den verringerten Grundwasserflurabstand kommt es mit zunehmender Tendenz zum Grundwasseraustritt und damit zu einem erhöhten Aufwand für Drainierung, Wasserhebung bzw. Geländeauffüllung. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ist die Gefahr eines zu Tage gehenden Bruchgeschehens als sehr gering einzuschätzen.

Im Ergebnis der gebirgsmechanischen Modellierung konnte gezeigt werden, daß eine ausschließlich auf elastisch-viskosen Stoffmodellen basierende Berechnung des Tragverhaltens nicht geeignet ist, das Senkungsgeschehen im Projektgebiet in Raum und Zeit abzubilden. Erst durch die Berücksichtigung der in den bergbaugeschichtlichen Aufzeichnungen dokumentierten Bruchprozesse durch Ansatz visko-plastischer Materialeigenschaften konnten die markscheiderisch dokumentierten Senkungen in Form und Größenordnung rechnerisch abgebildet werden.

Eine Lockergesteinsdecke vorwiegend quartären Alters überzieht den Gipshut und den Buntsandstein des engeren Untersuchungsgebietes mit Mächtigkeiten zwischen 5 und 50 m, wobei in der Stadt Staßfurt Mächtigkeiten unter 20 m vorherrschen. Zum Teil sind Erosionsrinnen (lokale schnelle Mächtigkeitszunahmen des Quartärs) zu erkennen. Im weiteren Untersuchungsgebiet und vor allem in den Randsenken (Egelner Nord- und Südmulde) erhöhen sich die Mächtigkeiten und die tertiären Gesteine gewinnen an Bedeutung. Eine sachgerechte Bearbeitung der Lockergesteinsdecke ist bisher wegen der zu geringen Aufschlußdichte und –qualität schwierig. Die vom Verbundvorhaben vorgelegten Karten und Profilschnitte zeigen den aktuellen Kenntnisstand.

Die geochemischen Forschungsarbeiten im Untersuchungsgebiet Staßfurt hatten das Ziel, das komplexe geochemische Inventar der Oberböden im Stadtgebiet sowie im Umfeld von Deponien und Altlastenverdachtsflächen nach Grundbelastung und Fremdstoffeintrag differenziert zu bewerten. Die geochemischen Daten wurden mittels univariaten statistischen Verfahren bearbeitet und die Gehaltsverteilung in flächendeckenden geochemischen Karten für ausgewählte Einzelparameter dargestellt. Auf der Grundlage der Hintergrund- bzw. Untergrundgehalte der Region konnten Karten des geochemischen Belastungsgrades des Oberbodens berechnet und als Isoflächenkarten dargestellt werden. Die geochemischen Belastungsgradkarten spiegeln die Verteilungstendenzen der Schadtstoffparameter wider und erlauben über die Berechnung der geochemischen Belastungsgradindizies eine Bewertung und die flächenhafte Darstellung des Belastungszustandes im Verhältnis zum regionalen geochemischen Untergrundgehalt der Region. Erstmals wurde durch Einbeziehung des ATKIS-Landschaftsmodells die flächennutzungsbezogene Auswertung geochemischer Daten auf der Basis der Prüf- und Maßnahmewerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV, 1999) und deren Darstellung in flächendeckenden Karten vorgenommen.

Chemische Fabrik Concordia und Halde um 1920Chemische Fabrik Concordia und Halde um 1920

Für die Erarbeitung eines Gestaltungs- und Nutzungskonzeptes urban-industrieller Räume auf der Basis von Ursachen- und Wirkungsforschung ist die möglichst detaillierte Risikoeinschätzung ein notwendiger Schritt auf dem Weg zu mehr Planungssicherheit. Dafür wurde eine interdisziplinäre wissenschaftliche Analyse der Risikofaktoren (mechanische Instabilitäten, Vernässungen und Überschwemmungen, anthropogene und geogene Belastungen) in der Stadt Staßfurt vorgenommen und erstmalig eine Karte der Risiken für die Flächennutzung erstellt.

In Anlehnung an die Erstbewertungsmethodik aus MDALIS zur Gefährdungsabschätzung der Altablagerungen wurde eine Bewertungsmatrix zur Gefährdungsbeurteilung der Deponien und Halden für den Standort Staßfurt erarbeitet. Danach werden von insgesamt 32 Altablagerungen 19 Deponien mit einem hohen Gefährdungspotential ausgewiesen, 13 Deponien werden mit einem mittleren Gefährdungspotential eingestuft, von denen 11 aufgrund möglicher (bisher wegen fehlender Analytik jedoch nicht erwiesener) Überschreitung der Maßnahmeschwellenwerte nach LAWA (1994) u. U. mit einem hohen Gefährdungspotential bewertet werden müssen. Erst nach einer Ermittlung der tatsächlich von den Altablagerungen ausgehenden Gefährdung auf der Grundlage der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV, 1999) kann ein ökologisch und ökonomisch vertretbares Konzept für Sicherungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen erarbeitet werden.

Mit der Entwicklung der mittlerweile bergerprobten gelförmigen Bindemittelsysteme konnte eine neue effektive Möglichkeit zur Bergschadenssanierung im Salzbergbau aufgezeigt werden. Die Gelsysteme bestehen aus einer hoch MgCl2-haltigen Lösung und hochbasischen Bindemitteln auf Ca- bzw. Mg-Basis (vorzugsweise Dolomitkalkhydrat und Magnesiumoxid), die ein homogenes, sehr dichtes dreidimensionales Netzwerk aus nadlig-filzigem Magnesiumoxidchloridhydrat und Gips bilden. Durch Einsatz von Füllstoffen und Veränderung des Mischungsverhältnis können die Eigenschaften dieser Gelsysteme variiert und an die geforderten Bedingungen angepaßt werden. Dazu wurden Modelle für Technikumsversuche entwickelt.

Von der Grundwasserabsenkung zum Schutz der Tagesoberfläche vor Vernässungen ist derzeit eine Fläche von ca. 560.000 betroffen. Bei zielgenauer Absenkung müßte eine Fläche von ca. 80.000 trocken gehalten werden. Die zentrale Wasserhaltung verursacht den Transport und die Hebung mineralisierter Wässer aus dem Untergrund, die die Vorflut belasten, und erhält Strömungsprozesse aufrecht. Die bisher praktizierte zentrale Wasserhaltung wird durch eine dezentrale Absenkung des Grundwassers ersetzt. Dadurch ist eine gezielte Trockenhaltung wichtiger Bereiche sowie eine gesteuerte Vernässung möglich. Die geohydrologische Funktionstüchtigkeit wurde durch numerische Modellierung der Grundwasserströmung mit präzisierten Berechnungsgrundlagen nachgewiesen. Die vorgegebenen Absenkungsziele können auch mit einer geringeren Anzahl von Entwässerungselementen erreicht werden. Die Vernässung von Teilen des Großen Marktes, einer Fläche um die jetzige Hebestelle Zillestraße wird zugelassen. Im Senkungsgebiet Bernburger Straße werden sich nach 25 Jahren erste Vernässungsanzeichen bemerkbar machen und sich etwa 2050 eine Wasserfläche einstellen. Im Bereich des Güterbahnhofes führen die Senkungen dennoch wegen des hohen Grundwasserstandes zu einer Vernässung des Bahngeländes, die durch die bereits vorhandene Wasserhaltung nicht aufgehalten werden kann.

Im Verbundvorhaben wurde Forschungsbedarf in folgenden Bereichen herausgearbeitet:

  • Gebirgsmechanische Analyse und Bewertung des Tragverhaltens des Gebirges über und in den abgesoffenen und z. T. verbrochenen Grubenbauen,
  • Ursachenforschung zur Hydrodynamik im oberflächennahen und tieferen Grundwasserstockwerk mit ihren vielfältigen Wechselwirkungen und Lösungsvorgängen,
  • Entwicklung von Sicherungs- und Sanierungstechnologien für abgesoffene bzw. geflutete Salzbergwerke,
  • Untersuchung des Austragsverhaltens und der Wechselwirkungen von Schadstoffen sowie von Prozessen der natürlichen Selbstreinigung (Natural Attenuation) und
  • Methodische Entwicklung von Konzepten zur städtebaulichen Umgestaltung für Bergschadensgebiete am Beispiel ausgewählter Schadensbereiche im Stadtgebiet von Staßfurt.

Im Vordergrund steht ein raumbezogener, landnutzungsorientierter Forschungsansatz mit einer Weiterentwicklung, Anpassung und Verknüpfung von Methoden zur Analyse komplizierter Situationen wie in Staßfurt sowie die Weiterentwicklung von Verfahren und Methoden der aktiven Einflußnahme auf die Schadensentwicklung in den Folgelandschaften des Salzbergbaus. Die ersten beiden Forschungsschwerpunkte sollten in einem Verbundvorhaben „Dynamik abgesoffener oder gefluteter Salzbergwerke und ihres Deckgebirgsstockwerkes“ gemeinsam und prioritär bearbeitet werden.

Kontakt:

    
Dipl.-Geol. Johannes Gerardi
Tel.: +49-(0)511-643-2874
Fax: +49-(0)511-643-3694

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