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Der Tscheljabinsk-Meteoroid: ein weltweit registriertes Infraschall-Ereignis


DATUM:15. Februar 2013
UHRZEIT:03:20 UTC
ORT:Tscheljabinsk, Russland


Der Eintritt des Tscheljabinsk-Meteoroiden in die Erdatmosphäre über dem Ural konnte in den frühen Morgenstunden des 15. Februar 2013 von zahlreichen Kameras (unter anderem in Fahrzeugen) und mittels verschiedener Fernerkundungsmethoden beobachtet werden. Die mit dem explosionsartigen Auseinanderbrechen des Himmelskörpers in 30 km Höhe verbundene Druckwelle konnte weithin verspürt werden, sie zerbrach Fensterscheiben und beschädigte Gebäude. Die Druckwelle konnte sowohl weithin als Knall gehört werden, beinhaltete jedoch auch immense, niederfrequente (Infraschall-)Anteile und gilt als stärkstes aufgezeichnetes Infraschallereignis seit Bestehen des internationalen Überwachungssystems der CTBTO. Es wurde als äquivalent eingeschätzt zu einer 500 kT TNT Explosion in der Atmosphäre.
Astronomische Untersuchungen identifizierten das Objekt als ursprünglich etwa 20 Meter durchmessenden Asteroiden von ca. 10.000 Tonnen Gewicht, der mit ca. 20 km/s in die Atmosphäre eintrat. Der sichtbare Teil der Trajektorie (siehe Abbildung 1) war 250 km lang von Ost nach West und mit einem recht flachen Eintrittswinkel von 16° zur Horizontalen. Bruchstücke von mehreren hundert Kilogramm Gewicht wurde in der nahen Umgebung des Endpunktes der Trajektorie nach dem Ereignis geborgen.


Foto des Tscheljabinsk-Meteoroiden beim Eintritt in die Erdatmosphäre, aufgenommen aus Jekaterinburg in ca. 200 km EntfernungFoto des Tscheljabinsk-Meteoroiden beim Eintritt in die Erdatmosphäre, aufgenommen aus Jekaterinburg in ca. 200 km Entfernung Quelle: Alex Alishevskikh, Flickr.com


Infraschall des Tscheljabinsk-Meteoroiden breitete sich als Druckwelle durch die Atmosphäre aus und wurde an einer Vielzahl von Infraschallstationen auf der ganzen Welt registriert. Unter anderem war das Ereignis deutlich an der Infraschallstation I26DE im bayerischen Wald und an der deutschen Antarktisstation I27DE zu beobachten. Während es an I26DE nach über 3.000 km (und etwa 4 Stunden Laufzeit) registriert wurde, zeigte I27DE klare Detektionen sowohl entlang der kurzen Orthodrome (15.000 km Entfernung, 15 Stunden Laufzeit) als auch entlang der langen Orthodrome (25.000 km Entfernung, 24 Stunden Laufzeit). I26DE registrierte das Ereignis erneut nach 44.500 km Distanz und 45 Stunden Laufzeit, also nach einer kompletten Umrundung der Druckwelle um den Erdball. Abbildungen 2 und 3 zeigen Zeitfenster von 48 Stunden um das Tscheljabinsk-Ereignis herum für die deutschen Infraschallstationen I26DE und I27DE. Schallsignaturen des Meteoroiden sind klar erkennbar in Richtungs- und Amplitudenangaben an beiden Stationen:


Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I26DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 4 Stunden aus etwa 60° (Ost-Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso in Ansätzen nach etwa 45 Stunden aus 60°Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I26DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 4 Stunden aus etwa 60° (Ost-Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso in Ansätzen nach etwa 45 Stunden aus 60° Quelle: BGR

Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I27DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 14-15 Stunden aus etwa 50° (Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso nach 24 Stunden aus etwa 230° (Südwest)Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I27DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 14-15 Stunden aus etwa 50° (Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso nach 24 Stunden aus etwa 230° (Südwest) Quelle: BGR


Signaturen des Tscheljabinsk Meteoroiden konnten an 20 der 42 weltweit verteilten und zu dem Zeitpunkt einsatzbereiten Infraschallarrays des IMS (International Monitoring System der CTBTO) registriert werden. Abbildung 4 zeigt über alle Einzelkanäle einer Station gemittelte Barogramme dieser 20 Arrays mit farblich markierten Bereichen für jede Detektion in Abhängigkeit von Entfernung und Laufzeit. Eindeutige Ausschläge können an vielen Station direkt identifiziert werden, ebenso Schall aus entgegengesetzten Richtungen an einigen Stationen wie z.B. an I27DE:

Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I27DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 14-15 Stunden aus etwa 50° (Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso nach 24 Stunden aus etwa 230° (Südwest)Herkunftsrichtung (oben) und Amplitude (unten) von Infraschallsignalen an I27DE: Tscheljabinsk-Signaturen sind nach 14-15 Stunden aus etwa 50° (Nordost) mit erhöhter Amplitude zu erkennen, ebenso nach 24 Stunden aus etwa 230° (Südwest) Quelle: BGR


Unter Berücksichtigung von verschiedenen Einflussparametern, die im Rahmen der Auswertung der Tscheljabinsk-Beobachtungen ermittelt werden konnten, war es möglich aus den Detektionen (und Nicht-Detektionen) weltweit verteilter IMS-Infraschallstationen eine Abschätzung der Detektionsfähigkeit des gesamten Netzes vorzunehmen.
Zu den Einflussparametern für die Detektionsfähigkeit gehören die Dämpfung der Infraschallausbreitung in Wellenleitern, die Eigenschaft des Meteoroidenereignisses als ungleichmäßige Linienquelle von Schallemissionen und das Hintergrundrauschen einer Station in Abhängigkeit der Tageszeit. Eine Gesamtschau dieser Effekte in Abbildung 5 spiegelt die Voraussetzungen wieder, die weltweit für die Ereignisdetektion des Tscheljabinsk-Meteoroiden vorlagen. Stationen, die hierbei das Ereignis registrieren konnten oder nicht, sind aufgeführt und eine klare Abhängigkeit der Verteilung detektierender und nicht-detektierender Stationen zu den Einflussparametern ist zu erkennen. Für Stationen in Ostasien und Nordamerika gelten gute Detektionsvoraussetzungen, für Europa und Südamerika schlechte. Dennoch weichen einige Stationen von diesen Erwartungswerten ab, was weitere Rückschlüsse auf die Stationsgüte erlaubt.

Gesamtschau der Detektionsfähigkeit von IMS-Stationen für das Tscheljabinsk-Ereignis in Entfernungen von 0 - 20.000 kmGesamtschau der Detektionsfähigkeit von IMS-Stationen für das Tscheljabinsk-Ereignis in Entfernungen von 0 - 20.000 km. Hellere Gebiete bieten besseren Detektionsvoraussetzungen als dunklere Gebiete (Angaben in Dezibel, Konturlinie: Mittelwertwert), auf Grundlage der identifizierten Einflussparameter. Das Ereignis detektierende Stationen sind mit Beschriftungen versehen Quelle: BGR


Infraschallsignaturen größerer Meteoroiden, deren Eintritt in die Erdatmosphäre weltweit registriert werden kann, ermöglichen Studien und damit Rückschlüsse zur Detektionsfähigkeit einzelner Infraschallstationen und des weltweiten IMS-Netzwerkes. Auf Grund der Ähnlichkeit einer solchen atmosphärischen Explosion (im Bezug auf die Ladungstärke im Kilotonnen TNT Bereich) zu einer Kernwaffensprengung in der Atmosphäre bieten große Meteoroiden-Ereignisse die einmalige Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit des weltweiten Infraschall-Stationsnetzes im Rahmen der Kernwaffenteststoppüberwachung zu testen.

Weiterführende Literatur:

- Le Pichon, A., Ceranna, L., Pilger, C., Mialle, P., Brown, D., Herry, P. & Brachet, N. (2013): The 2013 Russian fireball largest ever detected by CTBTO infrasound sensors.- Geophys. Res. Lett., 40: 3732–3737; doi:10.1002/grl.50619.
- Pilger, C., Ceranna, L., Ross, J. O., Le Pichon, A., Mialle, P. & Garcés, M.A. (2015): CTBT infrasound network performance to detect the 2013 Russian fireball event.- Geophys. Res. Lett., 42: 2523–2531; doi:10.1002/2015GL063482.

Kontakt

    
Dr. Christoph Pilger
Tel.: +49-(0)511-643-2878

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