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Schwarmbeben in der Region Vogtland

Stärkstes Ereignis:

DATUM:10. Oktober 2008
HERDZEIT:08:08:45.936 UTC
BREITE: 50.21 N
LÄNGE:12.46 E
TIEFE:10 km
MAGNITUDE:ML = 4.1 (BGR)
Letzte Modifikation: 11. November 2008 11:00 MEZ.

Am 6. Oktober 2008 wurden eine Reihe kleiner, kurz nacheinander auftretender Erdbeben in der Region Vogtland/NW-Böhmen registriert, die den Charakter sogenannter Schwarmerdbeben aufwiesen. In den ersten Tagen lagen die Magnituden dieser Ereignisse knapp unter ML=2 und damit auch unterhalb der Spürbarkeitsgrenze. Die Erdbeben wurden aber bereits mit hochempfindlichen Seismometerstationen registriert und ausgewertet. Ab dem 9. Oktober 2008 nahm die Intensität der Erdbeben deutlich zu. Das bisher stärkste Erdbeben dieses Schwarms ereignete sich am 10.10.2008, um 10:08 h (MESZ) und erreichte eine Magnitude von ML=4.1. Das Zentrum der Aktivität befindet sich in unmittelbarer Nähe der deutsch-tschechischen Grenze unter dem tschechischem Ort Novy Kostel nahe Cheb (Eger). Die Herdtiefen bewegen sich zwischen 9 km und 11 km. Seit dem 9. Oktober wird die Spürbarkeitsgrenze überschritten und die Bodenerschütterungen mehrerer Erdbeben wurden auch in Teilen Sachsens und Bayerns von der Bevölkerung wahrgenommen.

Typisch für die Schwarmbeben ist die große Anzahl von Beben gleicher Magnitude, die innerhalb kurzer Zeit und nahezu am selben Ort stattfinden. Die Region Vogtland/NW-Böhmen ist bekannt für das Auftreten von Erdbebenschwärmen. Als Ursache für dieses Phänomen, wie auch für die bekannten Mineralquellen in Marienbad und Karlsbad, wird der Aufstieg von Fluiden in der Erdkruste angenommen. Der letzte große Schwarm in der Region ereignete sich zwischen August und November 2000 mit ca. 5000 Schwarmbeben und einer Maximalmagnitude von 3.7. Die bisher stärksten mit Seismometern registrierten Erdbebenschwarme in der Region fanden 1908 und 1985 statt, wobei Magnituden bis knapp unter 5 erreicht wurden. In den nächsten Wochen ist mit weiteren Beben in der Region zu rechnen.

Epizentrum des ErdbebenschwarmsEpizentren des Erdbebenschwarms im Vogtland/NW-Böhmen im Zeitraum vom 6. Oktober bis zum 10. November 2008. Gezeigt sind 266 automatisch lokalisierte Ereignisse ab einer Magnitude von 1.8 und mindestens 9 von der Automatik erkannten Phasen Quelle: BGR

SeismogrammbeispielSeismogrammbeispiel für Registrierungen am Deutschen Seismologischen Regionalnetz Quelle: BGR

Lokalmagnituden und HäufigkeitsverteilungOben: Automatisch bestimmte Lokalmagnituden von 266 Ereignissen des Erdbebenschwarms im Vogtland/NW-Böhmen im Zeitraum vom 6. Oktober bis zum 10. November 2008. Unten: Häufigkeitsverteilung der seismischen Ereignisse Quelle: BGR

Über 90% aller Erdbeben auf der Erde sind tektonische Erdbeben, denen ein Scherbruch zu Grunde liegt. Dies gilt auch für die Schwarmbeben im Vogtland/NW-Böhmen. Der Scherbruch zeichnet sich durch ein spezifisches Abstrahlmuster in Amplituden und Polaritäten der P- und S-Wellen aus. Aus den Amplituden und Polaritäten, die an vielen den Erdbebenherd umgebenden Stationen aufgezeichnet werden, kann der Seismologe den Herdmechanismus des Bebens ableiten. Der Herdmechanismus zeigt die Orientierung der Herdfläche und die Richtung des Versatzes an. Er wird in stereographischer Projektion in Form von so genannten Beachballs wiedergegeben, bei dem die im Raum ausgerichteten Flächen auf die Ebene projiziert werden.

Für das Beben vom 10.10. 2008 um 08:08 UT - mit einer Magnitude von ML = 4.1 eines der größten Ereignisse des Schwarms - wurde der Herdmechanismus berechnet. Der errechnete Herdmechanismus repräsentiert eine N-S bis NNW-SSE streichende linkslaterale Blattverschiebung mit Abschiebungskomponente, d.h. einen dominierenden horizontalen Versatz mit einem geringeren vertikalen Anteil. Die Streichrichtung der ermittelten Fläche spiegelt die Ausrichtung der Marienbader Verwerfungszone und parallel verlaufender Störungssysteme wieder.

Von der Geometrie und dem Verschiebungstyp ist der Mechanismus des untersuchten 2008er Schwarmbebens ähnlich denen der vorangegangenen großen Schwärme von 2000 und 1985/86. Dies deutet darauf hin, dass die einzelnen Schwärme auf den gleichen Ursachen und Mechanismen beruhen. Die Mechanismen passen gut in das in Mitteleuropa vorherrschende Spannungsregime, das durch eine NW-SE Richtung der größten horizontalen Hauptspannung bzw. durch eine NE-SW Richtung der kleinsten Hauptspannung gekennzeichnet ist. Es ist anzunehmen, dass die episodisch auftretenden Erdbebenschwärme lokal durch aufsteigende Fluide in der heterogen zerbrochenen Erdkruste im Kreuzungsbereich von Marienbader Verwerfungszone und Egergraben hervorgerufen werden. Der Verschiebungscharakter hingegen wird durch das in Mitteleuropa anliegende Spannungsfeld bestimmt.

Karte und HerdflächenlösungSeismizität der Region Vogtland/NW-Böhmen sowie Herdmechanismus des Bebens vom 10.10.2008 und Skizze der horizontalen Hauptspannungsachsen. Die weißen Kreise zeigen die Epizentren in der Region seit 1990. Die Lokation des Schwarms von 2008 ist mit einem roten Stern markiert. Der Herdmechanismus für das Beben vom 10.10.2008 um 08:08 ist in stereographischer Projektion wiedergegeben (nähere Erläuterung siehe Text). Die Pfeile skizzieren die horizontalen Hauptspannungsrichtungen in Mitteleuropa Quelle: BGR

Vergleich HerdmechanismenVergleich ausgewählter Herdmechanismen der letzten großen Schwärme von 1985/86, 2000 und 2008 Quelle: BGR

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