BGR Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Seegravimeter

Der Schweresensor GSS30 auf der kreiselstabilisierten Plattform Der Schweresensor GSS30 auf der kreiselstabilisierten Plattform Quelle: BGR

Die systematische Messung der Schwere auf Schiffen hat erst in den frühen sechziger Jahren mit der Entwicklung brauchbarer Seegravimeter begonnen. Heutige Fortschritte bei der Messgenauigkeit beruhen insbesondere auf den verbesserten Möglichkeiten der Navigation durch das globale Satellitennavigationssystem GPS.

Die Berechnung der Schwere aus Satellitenaltimetermessungen hat zu umfangreichen Datensätzen geführt, die Freiluftschwerewerte für fast alle ozeanischen Gebiete der Erde zur Verfügung stellen. Diese für Übersichtskarten und entsprechend angelegte Untersuchungen sehr gut geeigneten Daten können aber die Messungen auf Schiffen nicht ersetzen. Das Problem der Satellitendaten sind ein geringes Auflösungsvermögen und systematische Fehler insbesondere in Flachwassergebieten. Außerdem benötigt man für detaillierte Modellierungen gute Wassertiefenwerte und wann immer möglich auch seismische Daten. Gute Schwerewerte in Kombination mit Zusatzdaten kann man auf See aber nur durch den Einsatz von Forschungsschiffen gewinnen.

Schweremessungen auf See sind ein auf den ersten Blick fast unlösbar erscheinendes Problem, wenn man sich verdeutlicht, dass Änderungen der Schwerebeschleunigung mit einer Genauigkeit von 1 mGal gemessen werden sollen. Diese in der Geophysik übliche Einheit entspricht ungefähr 10-6 g, d.h. einem Millionstel der Schwerebeschleunigung der Erde. Weil auf Schiffen selbst bei moderaten Windverhältnissen störende kinematische Beschleunigungen von bis zu 0,1 g auftreten, hat man also das Messsignal aus einem bis zu hunderttausendfach stärkeren Störsignal herauszufinden.

Trotzdem kann man mit Geräten, die nach dem eigentlich sehr einfachen Prinzip einer Federwaage funktionieren, diese Messaufgabe bewältigen. Die BGR setzt dazu das Seegravimetersystem KSS31 des Herstellers BODENSEEWERK GEOSYSTEM GmbH ein. Das KSS31 besteht im wesentlichen aus drei Komponenten, dem Schweresensor GSS30 mit der kreiselstabilisierten Plattform sowie Elektronikeinheiten zur Steuerung des Systems und zur Datenaufnahme und -Verarbeitung.

Prinzipskizze des Schweresensors GSS30 Prinzipskizze des Schweresensors GSS30 Quelle: BGR

Das Innere des Schweresensors GSS30 Das Innere des Schweresensors GSS30 Quelle: BGR

Die bewegliche Masse des Schweresensors GSS30 besteht aus einem Rohr mit einer Spule am unteren Ende und Teilen eines kapazitiven Wegaufnehmers am oberen Ende. Alles zusammen ist an einer Feder aufgehängt und wird reibungsfrei von fünf Metallfäden geführt. Wenn das System auf einer horizontierten Plattform (Kreiseltisch) in senkrechter Lage betrieben wird, kann sich die Masse ausschließlich in z-Richtung bewegen und misst damit nur diese Komponente der Schwerkraft. Diese Meßmethode ist völlig unempfindlich gegenüber Horizontalbeschleunigungen; ein großer Vorteil gegenüber anderen Konstruktionen, bei denen sich Querbeschleunigungen auf eine an einem horizontalen Balken aufgehängte Masse auch störend in z-Richtung auswirken. Diesen sog. 'Cross Coupling'-Effekt muß man dann bei entsprechend konstruierten Geräten durch aufwendige und fehleranfällige Maßnahmen wieder korrigieren.

Der größte Teil der Schwerkraft wird beim GSS30 von der Feder direkt kompensiert. Längenänderungen der Feder infolge von Schwereänderungen werden von einem kapazitiven Wegaufnehmer erfasst und durch ein Feedbacksystem in einen der Schwereänderung proportionalen Strom umgesetzt. Dieser bewirkt, dass durch magnetische Kräfte auf die Spule, die sich in einem Permanentmagneten bewegt, die Feder in ihre Nullage zurückführt wird. Die Stärke des Stroms durch die Spule ist also das Maß für die Schwereänderung. Zur Unterdrückung der Wirkung der Wellenbewegungen ist das System durch den Feedbackkreis und durch nachfolgende digitale Filter stark gedämpft.

Ohne weitere Bearbeitung wären die Messwerte allerdings nicht zu gebrauchen. Die wichtigsten Schritte der Datenverarbeitung sind:

Eine zeitliche Verschiebung der Schwerewerte um 175 Sekunden als Kompensation der starken Verzögerung, mit der die Messwerte aufgrund der notwendigen internen Dämpfung am digitalen Ausgang des Geräts erscheinen.

  • Die Eötvös-Korrektion, mit der die z-Komponenten störender Trägheitskräfte (Zentrifugalkraft und Corioliskraft) beseitigt werden, die bei einem sich auf der rotierenden Erde in Bewegung befindlichen Meßsystem zwangsläufig auftreten. Die Qualität dieser Korrektion hängt entscheidend von der Qualität der Navigationsdaten, insbesondere von der Schiffsgeschwindigkeit ab. Bei schlechten Navigationsdaten wird die Genauigkeit von seegravimetrischen Messungen praktisch ausschließlich von der Eötvös-Korrektion begrenzt.
  • Der Abzug der Normalschwere, wodurch die breitenabhängige Schwere eines bestimmten Referenzellipsoids (hier WGS 67) als Bezugsniveau für die Schwereanomalien festgelegt wird.
  • Die Driftkorrektur, die bei unserem Instrument relativ gering ist (ca. 1-2 m Gal pro Monat). Sie wird durch den Vergleich der Hafenablesungen des Seegravimeters mit absoluten Schwerepunkten in den Anfangs- und Endhäfen bestimmt. Anhand dieser Hafenanschlussmessungen werden die Schiffsdaten auch in das Weltschwerenetz IGSN 71 eingehängt.

Wenn alle diese Korrekturen durchgeführt sind, ergibt sich als (End-) Ergebnis die sog. Freiluftschwere. Analysen anhand neuerer Messfahrten zeigen, daß jetzt die angestrebte Genauigkeit von 1 mGal praktisch erreicht ist, was neben der hohen Qualität des Gravimeters den heutigen, z.B. durch Differential-GPS mit der Übertragung von GPS-Korrekturen über geostationäre Satelliten, sehr guten Möglichkeiten der Navigation zu verdanken ist.

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Dr. Ingo Heyde
Tel.: +49 (0)511-643-2782
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